Geschichten und Geschichte

Geschichten und Geschichte – der Austausch in der Gemeinschaft unserer Reisegruppe widmet sich den unterschiedlichsten Themen zu den Regionen in denen wir uns befinden - z.B. im Herzen der Araucania deren unglaublicher Historie und der Entstehung ihres Namens.

Dies ist das Kernland des Volkes der Mapuche, über das uns bereits der Chronist Alonso de Ercilla im 16. Jahrhundert berichtet*):  Die „fruchtbare Provinz Chile“, deren Einwohner „so vornehm, stattlich, mutig und kriegerisch seien, dass sie niemals durch einen König regiert oder fremder Herrschaft unterstellt worden seien“ beschreibt er überaus treffend und auch vorausschauend!

Heute wissen wir, dass sich die Mapuche in Südchile zwischen dem Bio Bio Fluß im Norden und der Meeresbucht von Reloncavi im Süden etwa 280 Jahre lang der spanischen Herrschaft erfolgreich widersetzten; sie zerstörten die von Pedro de Valdivia in dieser Region gegründeten Städte mit der einzigen Ausnahme der Stadt Valdivia, die über See erreichbar und deswegen durch die Kolonialmacht zu verteidigen war, vollständig und nachhaltig. Erst nach dem Ende der Kolonialherrschaft ab 1810 konnte die junge Republik Chile diese Bereiche nach und nach eingliedern.

Bis heute ist der Nordteil dieser Region in Chile die „Frontera“, die Grenze und die Stadt Temuco hat unter ihren zahlreichen Universitäten auch die `Universidad de la Frontera´. Den Kolonisierungsbemühungen des Vizekönigreichs Lima waren einige Jahrhunderte vorher bereits diejenigen des Inkareiches vorausgegangen. Auch diese scheiterten am Widerstand der Mapuche die mit ihrer dezentralen Verteidigungsstrategie und hohen Mobilität als frühe Guerilla gelten.

Alonso de Ercilla betitelt seine Chronik der für die Heere des Vizekönigreichs extrem verlustreichen Eingliederung des Südens der `Neuen spanischen Provinzen´ – also der heutigen Länder Chile und Argentinien -  „La Araucana“ nach dem „Volk von Arauco“ als das sich die Mapuche selbst bezeichneten.
Von der Pazifikküste über die Anden hinweg bis in deren östliches Vorland siedeln Mapuche Gruppen, deren Clans vom Lonco, dem weltlichen Leiter und Heerführer und der Macchi, deren Aufgaben die spirituelle Orientierung und Verbindung zu den Wesenheiten der Naturreligion sind, geleitet werden. In straffer Organisation, gemeinschaftlichem Grund- und Viehbesitz und weitreichenden Austauschbeziehungen gelang es diesem Volk, alle Lebensräume von der Küste bis ins Gebirge zu besiedeln. Die wichtigste Lebensgrundlage lieferte ein Baum, der ebenfalls den uralten Namen trägt – die Araukarie – Mitglied einer Nadelbaumfamilie, deren Arten heute nur noch in kleinen Arealen auf der Südhalbkugel natürlich vorkommen. Weltweit treffen wir einige als Zierbäume im Siedlungsgebiet – auch sie sind robust, langlebig und anpassungsfähig. Doppelt so groß wie eine Mandel sind die nussartigen Araukariensamen, lagerfähig und auch zu Mehl zu vermahlen und darum eine ideale Reserve für den Winter.

Auf unseren Spaziergängen oder Wanderungen tauchen wir ein in die Extreme einer stets auf´s Neue vulkanisch überformten Landschaft, die alle Naturstadien zwischen Wüste und Wald repräsentiert und in der wir Wälder erleben, die denen, durch die die Dinosaurier zogen, ganz ähnlich sind.

Natur und Gesellschaft bewahren in der Araucania das Uralte – Kunst, Rechtsauffassungen und Sprache der Mapuche prägen bis heute den Süden  Chiles und machen die Mapuche zur bedeutendsten Gruppe indigener Bevölkerung der aktuellen Republik.

Gut, dass in den letzten Jahrzehnten auch in Schulen und Universitäten dieses Erbe gepflegt und weiterentwickelt wird und dass die Araukarienwälder im Nationalpark Conguillio in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts im letzten Moment vor der Abholzung bewahrt wurden!

*) Übersetzt zitiert nach:
 Alonso de Ercilla  La Araucana. 11. Edición 1997, 180pp. Editorial Universitaria, S.A. Santiago de Chile
ISBN 956-11-1340-6